Dienstag, 28. März 2017

Wenig Bereitschaft zum „einfach mal ausprobieren“ - Heute die 5 (+1) Frage/n an Henrik Zaborowski zu den Erwartungen an das Personalmanagement

Überall wird über Personaler und das Personalmanagement viel gesprochen - weniger wird mit Personalern gesprochen. Bei diesen Diskussionen dreht sich alles um die gegenwärtigen Prozesse und Leistungen aber zunehmend auch um die Perspektive von „HR“ insgesamt. Diese m. E. oft mit ungewohnter Schärfe vorgetragenen kontroversen Meinungen sind für mich Anlass, eine Interviewreihe mit Kunden, Partnern und Insidern des Personalmanagements zu starten. Heute spreche ich mit Henrik Zaborowski - einem der Recruiting-Spezialisten schlechthin, der darüber hinaus als bekannter HR- bzw. Recruiting-Blogger für seine gleichermaßen kritischen wie konstruktiven Äußerungen zum Recruiting weithin akzeptiert und als Referent sehr gefragt ist. Er zählt auch zu meinen „alten“ Twitter- und BarCamp-Bekannten. Ich freue mich, dass er am diesjährigen HR Innovation Day teilnehmen wird und danke ihm bereits vorab ganz herzlich für die Möglichkeit dieses Interviews. Ich bitte ihn, sich zu Beginn kurz vorzustellen. Daran schließen sich dann meine Fragen an.

Henrik Zaborowski
Henrik: Erst einmal herzlichen Dank, Peter, dass Du mich in diese illustre Runde an Interviewpartnern mit aufnimmst. Das ehrt mich. Ich mache seit 16 Jahren nichts Anderes als Recruiting, wenn auch in unterschiedlichsten Rollen und Ausprägungen. Nach vielen Jahren als Personalberater und interner Recruiter habe ich mich vor rund drei Jahren als Recruitingspezialist und -coach selbständig gemacht und helfe Unternehmen dabei, im Recruiting selber besser zu werden.

Peter: Vielen Dank für die kurze Vorstellung. Wie ist Deine Position im Personalmanagement bzw. worin bestehen Deine konkreten Schnittstellen zum Personalmanagement?
Henrik: Tatsächlich sind meine Schnittstellen zum Personalmanagement sehr einseitig. Die bestehen nämlich fast nur zur Recruitingabteilung und zum Teil zum Personalmarketing/Employer Branding. Zu den klassischen administrativen HR Funktionen habe ich wenig Kontakt. Außer wenn ich als Interim Recruiter auch Arbeitsverträge verhandle und zur Bearbeitung weitergebe.

Peter: Wie schätzt Du den gegenwärtigen Status bzw. das Standing der Personaler insgesamt ein?
Henrik: Zum Standing der Personaler allgemein habe ich nur eine grobe Sicht, das können andere besser beurteilen. Das Standing der Recruiter nehme ich interessanterweise sehr unterschiedlich wahr. Zum Beispiel scheint die Nachfrage nach Recruitern aktuell sehr hoch zu sein. Außerdem steigen die Anforderungen enorm. Mir scheint, wir glauben wieder alle an Superhelden, die zaubern können. Heute muss scheinbar jeder Recruiter Sourcing Master sein, Employer Branding und eine Personal Brand aufbauen können und Eignungsdiagnostik Experte sowie Prozessmanager sein. Das ganze natürlich mindestens zweisprachig. Und ganz wichtig: Natürlich Bewerber zaubern!
Dabei bestand das Anforderungsprofil der meisten Recruitingjobs bis vor zwei Jahren vor allem noch aus Stellenanzeigen schalten und Interviews führen. Ich frage mich, wo diese Top ausgebildeten Recruiter auf einmal herkommen sollen? Und wer das alles in einer Person vereinen kann? Kaum jemand. Gleichzeitig steigen die Gehälter aber kaum. Ich bin echt erschrocken, mit welchen Summen da gehandelt wird. Außer ich bin Leiter Recruiting, dann sieht es etwas besser aus. Da ist eine große Diskrepanz zwischen Erwartung, Wertschätzung und der gegebenen Realität. Abgesehen davon, dass meines Wissens niemand Bewerber zaubern kann. Aber vielleicht habe ich den neuesten Trend verpasst?

Peter: Was meinst Du, warum wird das Personalmanagement heute (trotzdem) so oft und teilweise heftig kritisiert?
Henrik: Nach wie vor sehe ich im Recruiting zu wenig Bereitschaft zu Innovationen und dem „einfach mal ausprobieren“. Es gibt so viel Neues im Markt. Ob diese Angebote für mein Unternehmen etwas bringen, weiß ich erst, wenn ich sie ausprobiert habe. Das macht aber kaum jemand. Außerdem scheinen alle zu denken, durch die Digitalisierung würde das Recruiting einfacher. Das ist nicht der Fall. Ich muss mich schon kümmern und investieren. Meinen Verstand, meine Arbeitskraft und auch mein Geld. Da sehe ich wenig Bereitschaft. Weil die Notwendigkeit vielleicht noch nicht gesehen wird? Oder weil wirklich geglaubt wird, Recruiting ist Zaubern und nicht Arbeit, die nur im Team mit dem Fachbereich gemacht werden kann. Tendenziell wird einfach mal ein Tool gekauft und eingeführt, ohne den Nutzen bis zum Ende zu denken und auszureizen. Und am Ende wundern sich alle, dass es so wenig bringt.

Peter: Wo siehst Du in der nächsten Zeit konkreten Änderungsbedarf bei Leistungen und Angeboten des Personalmanagements?
Henrik: Auch hier wieder mein Fokus Recruiting. HR muss viel mehr abgeben. Ein klassischer Recruiter ist nur die B-Lösung im Sourcing von IT Spezialisten. Das können die Fachkollegen eigentlich viel besser. Wenn sie ein entsprechendes Training bekommen – und die notwendige Zeit. Hier müsste HR stärker drauf einwirken. Die Fachkollegen befähigen, bessere Interviews zu führen. Mit Marketing diskutieren, warum EB Aussagen und das Mitarbeitervideo wirklich unbedingt in CI und CD des Unternehmens sein müssen? Wie wäre es auch mal in „schlicht und praktisch“, aber dafür nicht perfekt? Dem Fachbereich erklären, dass er sich bewegen muss hinsichtlich seiner Erwartungen und dem, was er bieten kann oder will.

Peter: Was werden die Schwerpunkte des Personalmanagements in 10 Jahren sein?
Henrik: Ich würde mir sehr wünschen, dass die Fachbereiche noch mehr Recruitingaufgaben übernehmen. HR bzw. Recruiter ist dann nicht mehr selber so stark operativ drin, sondern Coach der Fachkollegen, hält Ausschau nach den neuesten Trends und Entwicklungen, prüft die Anwendbarkeit im eigenen Unternehmen und kümmert sich um die Vernetzung aller Mitarbeiter untereinander. Die administrativen Prozesse werden von Software geleistet, HR kümmert sich endlich um die Menschen im Unternehmen. In welchen großen Themen/Bereichen müssen wir unsere Mitarbeiter fit machen, damit sie zukunftsfähig bleiben? Wir können wir Arbeitsplätze schaffen, die individuell den Stärken und Neigungen des Einzelnen gerecht werden? Was können unsere Mitarbeiter eigentlich wirklich und sind sie am richtigen Platz? Solche Schwerpunkte würde ich mir für die Zukunft wünschen.

Peter: Jetzt zur Frage 5+1 (für meine Alumni und Studierenden) Was empfiehlst Du den jungen Personalern bzw. Studierenden, die eine Laufbahn im Bereich HR anstreben? Worauf sollten diese achten? Was ist und was wird wichtig?
Henrik: Bitte schaut in Bereiche wie Vertrieb, Marketing und IT rein. Lernt das Leben mit seinen Höhen und Tiefen kennen. Übernehmt nicht unreflektiert die Glaubenssätze der alten Personalergeneration. Versucht die Menschen und ihre Motivation zu verstehen. Bleibt wandelbar und flexibel. Und versucht nicht schon im Alter von 30 Jahren Euren „Traumjob“ zu finden. Sondern sammelt ganz viele unterschiedliche Erfahrungen. Denn nur so lernt Ihr, was Ihr könnt und wollt – und was nicht.

Peter: Ganz herzlichen Dank für die Antworten. Ich wünsche Dir weiterhin so viele Erfolge, immer viele offene Ohren für Deine Ideen und stets freundliche Kunden.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen