Dienstag, 13. Dezember 2016

Erwartungen an das Personalmanagement - 5 (+ 1) Frage/n an Sebastian Hollmann

Über Personaler und das Personalmanagement wird im Moment viel gesprochen - weniger mit den Personalern. Bei diesen Diskussionen geht es um die gegenwärtigen Prozesse und Leistungen aber zunehmend auch um die Perspektive von „HR“ insgesamt. Diese oft mit ungewohnter Schärfe vorgetragenen kontroversen Meinungen sind für mich Anlass, eine Interviewreihe mit Kunden, Partnern und Insidern des Personalmanagements zu starten. Den Auftakt bildet ein Gespräch mit Dr. Sebastian Hollmann, dem ich vornweg herzlich danke und bitte, sich kurz vorzustellen. Daran schließen sich dann meine Fragen an:

Dr. Sebastian Hollmann
Ich bin als Berater, Trainer und Coach für die Themen Führung/Leadership und Kommunikation jährlich bei etwa 25 bis 30 Unternehmen tätig. Das Spektrum meiner Klienten reicht dabei vom Dax-Konzern wie SAP oder Continental bis hin zum kleinen regionalen Mittelständler oder auch „Hidden Champion“. Es begeistert mich dabei, immer wieder mit ganz unterschiedlichen Personen vom Vorstand bis zum Sachbearbeiter zu arbeiten und dabei Menschen und Organisationen nachhaltig zu entwickeln. Zudem bin ich als Dozent für Leadership und Kommunikation im MBA- und Master-Studiengang an der Steinbeis-Hochschule tätig und beschäftige mich in meinem Blog auf www.hrstrategieblog.de sehr intensiv mit den Themen HR, Leadership und New Work.

Wald: Vielen Dank für die kurze Vorstellung. Wie ist Ihre Position im Personalmanagement bzw. worin bestehen Ihre konkreten Schnittstellen zum Personalmanagement?
Hollmann: Als Berater, Trainer und Coach arbeite ich entlang des gesamten Prozesses vom Erstkontakt bei der Akquisition bis zur Verstetigung der Projektergebnisse mit Personalabteilungen zusammen. Dabei werden zum einen Projekte an uns herangetragen, die wir dann mit Projekt- oder Linienführungskräften weiter konkretisieren. Zum anderen arbeiten wir eng mit den jeweiligen Personalverantwortlichen zusammen – sei es, um langfristige Entwicklungsprogramme aufzusetzen oder auch „kleinteilig“ ein- bis zweitägigen Seminare oder Workshops abzustimmen.

Wald: Wie schätzen Sie den gegenwärtigen Status bzw. das Standing der Personaler insgesamt ein?
Hollmann: Das schätze ich sehr gemischt ein – und denke, das ist auch der Tenor der Berichterstattung in den (sozialen) Medien. Meiner Wahrnehmung nach liegt das vielfach auch an den einzelnen Personalern selbst, die ihr Standing natürlich selbst in der Hand haben. Viele lassen sich jedoch noch auf ihre administrative Funktion reduzierten, in der sie als reine Dienstleister für das Business agieren. Häufig fühlen sie sich in dieser Rolle zugegebenermaßen auch ganz wohl – schließlich haben sie diese jahrelang erfolgreich eingenommen, als HR vor allem als administrativer Experte gefragt war, der durch saubere Prozesse und Routinen glänzen konnte. Nun allerdings hat sich die Welt verändert und ist inzwischen „VUCA“ geworden – ohne dass sich die Arbeitsweise und -schwerpunkte vieler Personaler jedoch signifikant verändert haben. Auf der anderen Seite lerne ich aber auch viele unglaublich innovative Personaler kennen – sei es in Unternehmen, oder noch eher auf Veranstaltungen – die mit Begeisterung über den HR-Tellerrand hinausdenken und sich die Frage stellen, welchen relevanten Beitrag HR zum Unternehmenserfolg leisten kann und wie sich neue Ansätze in die zum Teil auch angestaubte HR-Organisation integrieren lassen. Von daher bin ich sehr positiv gestimmt, dass sich HR in absehbarer Zeit von seiner passiven Rolle emanzipieren kann. Denn wichtig ist, dass wir nicht abwarten, was passiert – sondern aktiv gestalten. Hier wird auch durch die immer stärker werdende Szene der HR Tech Start-ups noch ungeheuer viel Bewegung reinkommen…

Wald: Was meinen Sie, warum wird das Personalmanagement heute (trotzdem) so oft und teilweise heftig kritisiert?
Hollmann: Hierfür gibt es meiner Erfahrung nach drei Hauptgründe – diese stellen natürlich eine bewusste und vielleicht auch provokante Verallgemeinerung dar. Zusammengefasst würde ich sagen, dass es HR oftmals an strategischer Relevanz und Innovationsfähigkeit sowie einem ausreichenden Selbstbewusstsein fehlt, um für die angestoßenen Veränderungen eine bereichsübergreifende Umsetzungsverantwortung einzufordern.

In der übergeordneten Perspektive fehlen HR dabei oftmals eine eigene strategische Ausrichtung und ein sinnstiftender – wie es neuerdings heißt – Purpose. In der Regel ist es völlig unklar, wie der konkrete HR-Beitrag zum Unternehmenserfolg aussehen kann bzw. soll. Daher werden zu wenige Themen fokussiert, die eine tatsächliche strategische Relevanz für das Business haben – was wiederum in einer entsprechenden Wahrnehmung durch die Fachbereiche resultiert, HR könne nur abarbeiten. Besonders deutlich wurde dies zum Beispiel im kürzlich erschienenen Transformationswerk-Report, einer bereichsübergreifenden Studie zum Stand der digitalen Transformation in deutschen Unternehmen, in der HR – interessanterweise sowohl in der Fremd- als auch in der Selbstwahrnehmung – nur eine minimale Digital- und Vernetzungskompetenz zugesprochen wurde.

Zweitens ist HR oftmals zu wenig neugierig darauf, andere Wege abseits der eingetretenen Pfade zu gehen und dadurch auch nicht besonders experimentierfreudig und in der Folge wenig innovativ. Viele Personaler trauen sich leider zu selten, auch mal etwas auszuprobieren und sich mit neuen Themen, Formaten und Vorgehensweisen auseinanderzusetzen. Die Betroffenen sehen sich nun plötzlich mit Instrumenten wie Enterprise Social Networks oder App-basierten Pulse Surveys konfrontiert, obwohl sie gerade erst beginnen, sich an Formate wie Blended Learning heranzutasten. Auch das Thema Agilität wird zunehmend wichtiger – dabei geht es vor allem darum, die bereits angesprochene reaktive Rolle hinter sich zu lassen und noch flexibler die zentralen Zukunftsthemen aktiv anzugehen.

Drittens herrscht im System der meisten Organisationen oft ein zu starkes Silodenken anstatt eine gemeinsame Verantwortung für die Weiterentwicklung der Mitarbeiter und der Organisation als Ganzes zu übernehmen. Denn schließlich ist es einfacher, sich darüber zu beklagen, dass HR nicht die richtigen Mitarbeiter zur Verfügung stellt oder die falschen Entwicklungsthemen angeboten werden. Dadurch steht HR auch deshalb oft in einem schlechten Licht da, weil Rekrutierung, Entwicklung und Bindung der richtigen Personen oft auf die Personalabteilung „abgeschoben“ werden. Das ist für die Fachbereiche eben oft viel bequemer, als zumindest eine Mitverantwortung für die nachhaltige Personal- und Organisationsentwicklung zu sehen und zu übernehmen. Eine erfolgreiche Zukunft werden daher vor allem Unternehmen haben, in denen Top-Management, Fachbereiche und HR Hand in Hand die strategisch wichtigen Themen angehen und in denen außerdem auch „am System“ gearbeitet wird, sodass die Organisationsstrukturen und -prozesse die Weiterentwicklung konsistent unterstützen und nicht – wie so häufig – konterkarieren.

Wald: Wo sehen Sie in der nächsten Zeit konkreten Änderungsbedarf bei Leistungen und Angeboten des Personalmanagements?
Hollmann: Aus meiner Sicht muss HR der zentrale Gestalter der digitalen Transformation in den Unternehmen sein. Wir sollten alle davon weggehen, die Mitarbeiter von ihrer eigentlichen Arbeit abzuhalten – dieser Gedanke ist für mich der eigentlich Kern dessen, was als „New Work“ diskutiert wird. HR sollte sich daher insbesondere darauf konzentrieren, Strukturen und Kompetenzen für das digitale Zeitalter zur Verfügung zu stellen und dadurch eine Organisation zu schaffen, in der sich Menschen selbst organisieren und entwickeln können. Entscheidend wird dabei sein, die Mitarbeiter intensiver miteinander zu vernetzen, wie es zum Beispiel immer stärker durch Enterprise Social Networking erfolgt. Daimler treibt dieses Thema beispielsweise sehr intensiv gerade und auch die Continental ist sicherlich als Vorreiter in Sachen digitale Vernetzung zu nennen. Da wir als Berater eher Methoden- als Fachexperten sind, arbeiten wir in unseren Projekten sehr stark mit den Menschen im Unternehmen und bringen häufig „einfach nur“ bestehendes Wissen in strukturierter Weise zusammen – mit erstaunlichen Ergebnissen. Oftmals gilt das alte Sprichwort: „Wenn die Firma wüsste, was die Firma weiß…!“ Führungskräfte im digitalen Zeitalter werden meiner Meinung nach daher viel stärker als bisher in ihrer Rolle als Moderator, Coach und Enabler gefragt sein, wenn es darum geht, themenbezogen und über Abteilungsgrenzen hinweg die richtigen Mitarbeiter zusammenzubringen, im Austausch Wissen intelligent zu kombinieren und zu strukturieren, um dadurch Ideen hervorzubringen und Innovationen anzustoßen. Dies muss durch HR erstens ermöglicht und gefördert werden. Zum zweiten wird es für HR noch wichtiger werden, bereichsübergreifend – z. B. gemeinsam mit der IT – die dafür notwendigen Rahmenbedingungen zu schaffen, in denen die Mitarbeiter eigenverantwortlich und selbstorganisiert arbeiten können.

Wald: Was werden die Schwerpunkte des Personalmanagements in 10 Jahren sein?
Hollmann: Ich werde jetzt mal bewusst provokant und stelle die Hypothese auf, dass es HR im Allgemeinen und ein Personal-Management im Besonderen, in 10 Jahren – zumindest in der bisherigen Form – vielleicht gar nicht mehr geben könnte. Bestimmt kennen Sie das schöne Bild aus dem Bereich Zeitmanagement: Stellen Sie sich ein leeres Glasgefäß vor. In dieses werden nun große Steine gelegt, die die wichtigen und dringlichen A-Aufgaben symbolisieren. Nach und nach werden kleinere Steine für die weniger bedeutsamen oder zeitkritischen B- und C-Aufgaben hinzugefügt. Dennoch ist zwischen den Steinen, die nicht nahtlos ineinandergreifen, noch allerlei Zwischenraum zur mehr oder weniger freien zeitlichen Verfügung. Dieser wird anschließend mit Sand aufgefüllt – um zu zeigen, dass auch kleine Zeitpuffer noch sinnvoll genutzt werden können. Was will ich mit diesem Bild aussagen? Das HR der Zukunft sollte meines Erachtens sein wie der Sand zwischen den Steinen in unserem Gefäß. Und damit meine ich nicht: weniger wichtig und dringlich zu behandeln! Was ich meine, ist, dass sich HR naht- und geräuschlos in die Organisation einfügen, die einzelnen Bereiche zusammenhalten und in dieser Organisation agieren und wirken sollte. Über Bereichs- und Abteilungsgrenzen hinweg sollte HR die Rolle eines Vermittlers und Gestalters zukommen, wenn es um die zentralen Rahmenbedingungen und Zukunftsthemen wie Digitalisierung, New Work oder die dafür notwendige kulturelle Transformation geht. Ich glaube nicht, dass es dafür noch so etwas wie eine Personal-Abteilung braucht – eher das Gegenteil: Denn HR darf nicht abgeteilt von den übrigen Bereichen agieren, wenn es einen strategischen Mehrwert für das Business liefern will.

Wald: Jetzt zur Frage 5+1 (für meine Alumni und Studierenden) Was empfehlen Sie jungen Personalern bzw. Studierenden, die eine Laufbahn im Bereich HR anstreben? Worauf sollten diese achten? Was ist und was wird wichtig?
Hollmann: Interessanterweise gelten auch in Zeiten, in denen Digitalisierung und Automatisierung immer bedeutsamer werden, noch immer – oder vielleicht auch gerade deshalb – die „4 Ms“: Man Muss Menschen Mögen! Der Mensch ist auch im digitalen Zeitalter unverzichtbar und steht im Mittelpunkt einer guten HR-Arbeit. Wer daher Interesse an der Vielfalt anderer und dem Umgang mit ihnen hat und sich dafür begeistert, Menschen zu helfen, jeden Tag noch besser zu werden, der ist dort auch zukünftig gut aufgehoben. Alles andere lässt sich lernen, schließlich gilt (insbesondere) für HR: „Hire for attitude – train for skills“! Dabei empfehle ich, viele Impulse und Ideen zu sammeln und sich dann ein eigenes Bild zu machen. Auch Veranstaltungen wie zum Beispiel BarCamps können eine tolle Inspirationsquelle und Raum für spannende Diskussionen sein.

Wald: Ganz herzlichen Dank für die Antworten. Ich wünsche Ihnen weiterhin viel Erfolg, jede Menge offener Ohren und auch viele Möglichkeiten Erfahrungen zu sammeln und zu teilen.

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