Freitag, 31. Januar 2014

Buch & BarCamp - Gespräch mit Christoph Athanas - Teil 1

Buchautor & BarCamper Christoph Athanas
Zwei große Ereignisse sind ein guter Anlass, wieder einmal Christoph Athanas zu befragen:
Sowohl das Erscheinen des gemeinsam von ihm und Nele Graf herausgegebenen Buch „Innovative Talentstrategien“ als auch das näher rückende (bereits)  DRITTE  HR BarCamp am 6. und 7. März 2014 in Berlin.



Wald: Erst einmal herzlichen Glückwunsch zum Buch. Ich kann mir sehr gut vorstellen, wie viel Kraft und Energie in einer solchen Veröffentlichung steckt.
 
Athanas: Danke sehr. Es stimmt schon: Es kostet Kraft, aber das Ergebnis macht auch viel Freude.

Wald: Gefallen haben mir neben den theoretischen Akzenten auch die Praxisbeiträge mit dem Fokus Mittelstand. War es schwer, Mitautoren für dieses Projekt zu gewinnen?

Athanas: Nele Graf und ich sind glücklicherweise ja ziemlich gut vernetzt in der HR-Szene. Sie ist mit dem HR-Innovation-Slam ja regelmäßig aktiv an der Front der HR-Neuerungen und ich eben über das HR BarCamp und meinen metaHR Blog.

Wald: Die von Ihnen benutzte „Klammer“ des Talentmanagements, d. h. das Finden, Entwickeln und Binden findet meine volle Zustimmung. Mir gefällt auch, dass Sie von Talentstrategien sprechen. Jedoch erkenne ich in der Praxis oft eine Schwerpunktsetzung bei der Rekrutierung. Täusche ich mich, oder wird die Entwicklung und Bindung von Mitarbeitern/Talenten viel zu selten und häufig eher unsystematisch betrachtet?

Athanas: Naja, Rekrutierung ist in der Praxis eben oft deshalb ein Schwerpunkt der Aktivitäten von Personalabteilungen, weil unbesetzte Stellen so offensichtlich auffallen und direkten Handlungsdruck erzeugen. Der Handlungsbedarf in den Aktionsfelder Talententwicklung bzw. Talentbindung wird häufig nicht so klar wahrgenommen, auch wenn er ebenso hoch sein kann. Das muss nicht zwingend unsystematisch sein, was in diesen Bereichen passiert. Aber im Fall der Talententwicklung z.B. überlagert mancherorts die gelebte Routine, d.h. dass dort mit standardisierten und manchmal in die Jahre gekommenen Seminarprogrammen der Eindruck erzeugt wird, es würde ja ausreichend für diesen Themenbereich getan. Hier sind, wie natürlich auch bei der Talentbindung, besonders die Führungskräfte gefordert. Allerdings müssen Personaler auch darauf drängen, dass diese Themen bei den Führungskräften auf der Agenda stehen und ihnen Hilfestellungen geben.

Wald: Welche Rolle spielt aus Ihrer Sicht die Führung bei der Bindung von Mitarbeitern/Talenten? Wenn ich die aktuellen Zahlen zur Wechselbereitschaft und den Einfluss der Führungskräfte darauf berücksichtige, müsste dies doch vielen Unternehmen zu denken geben. Auch werden sehr häufig die sich ändernden Erwartungen an eine moderne Mitarbeiterführung thematisiert.

Athanas: Es gibt das geflügelte Wort von den Menschen, welche wegen des Unternehmens an sich dort anheuern und es dann später wegen den direkten Vorgesetzen wieder verlassen. Da liegt meiner Erfahrung nach eine Menge Wahrheit drin. Eine gute Führung wirkt auf die direkte Vorgesetzen-Mitarbeiter-Beziehung am stärksten ein und kann auch eine Weile viele andere Unzulänglichkeiten kompensieren, z.B. Limits beim Gehalt oder strukturelle Defizite im Unternehmen. Mitarbeiterführung, die unternehmenskulturell passend ist und authentisch gelebt wird, ist mit Sicherheit ein Schlüsselfaktor für erfolgreiche Talentbindung.

Wald: Was meinen Sie, warum fällt es vielen Firmen so schwer, über Ihren Schatten zu springen, wenn es um konsequente Änderungen bei der Führung von Mitarbeitern (nicht nur der Generation Y) geht? Notwendige Änderungen beim mindset in den Personalbereichen haben Sie bereits anderweitig angesprochen. Diese Meinung teile ich uneingeschränkt. Ist dies jedoch alles? Gibt es hier weitere Ansatzpunkte und Ideen?

Athanas: Führung wird im jeweiligen Unternehmen letztlich von der Unternehmensspitze aus definiert. Hier ist HR wieder nicht allein verantwortlich. Der von Ihnen zitierte mindset-Wechsel gilt natürlich auch für beide Gruppen: Personaler und Führungskräfte. Die Ansatzpunkte nach denen Sie fragen benennen Nele Graf und ich in unserem Buch. Wir haben uns erfolgreiche Talentstrategien angeschaut, die alle auf ihre Art (HR-)Innovationen darstellen. Viele davon sind von unseren Gastautoren im Buch dokumentiert. Wir fanden für die Maximierung des Innovationserfolges vier Bedingungen, welche erfüllt sein sollten, um die Chancen auf Wirkungsmaximierung zu erhöhen. Die vier Punkte lauten:

  1. Eine neue Perspektive zu einem Thema einnehmen (der mindset-shift) und idealerweise die eigene Strategie mit dieser neuen Perspektive in Einklang zu bringen. Das ist die Arbeit am big picture.
  2. Verfügbare, clevere Technologien einsetzen. Technologie ist nicht zwingend ein Heilmittel, aber eben oft ein wichtiger Baustein. Wir können schon heute viele Talentstrategien nur noch mit entsprechender Technologiebeteiligung zu Ende denken. Insofern hat fast jede erfolgreiche Talentstrategie einen technologischen Anteil.
  3. Neue Rollen für sich annehmen und die daraus resultierenden Aufgaben bewältigen. Was zum letzten Punkt führt:
  4. Neue Kompetenzen erwerben, um diese Aufgaben entsprechend erfolgreich zu meistern bzw. einschätzen zu können, wer dazu der oder die Richtige ist.

Wald: Klingt ziemlich überzeugend. Können Sie aber bitte diese vier Punkte auch noch in ein praktisches Beispiel übersetzen?

Athanas: Natürlich. Nehmen wir bspw. den Umgang von Unternehmen mit Bewerbungen und Bewerbern. Die neue Perspektive hierzu lautet, dass es nicht mehr selbstverständlich ist, dass Bewerber Schlange stehen, um einen Job zu bekommen. Dies spiegelt die neuen Kräfteverhältnisse im Arbeitsmarkt wider. Der Bewerber wird somit wie ein Partner oder Kunde angesehen und nicht länger als Bittsteller. Die strategische Devise lautet demzufolge: Auf Augenhöhe gehen. Einen technologischen Anteil hierzu können wir sehr gut sehen im Angebot an den Bewerber, bspw. durch komfortable Karrierewebseiten und bewerberfreundliche schlanke digitale Bewerbungsabwicklung. Dazu ein entsprechendes Tracking und die Möglichkeit mit potentiell zukünftigen Bewerbern in Verbindung bleiben zu können.
Als weiteren Aspekt thematisieren wir die neuen Rollen, die sich hieraus ergeben: Recruiter nehmen in diesem Setting idealerweise sowohl die Rolle des für das Unternehmen aktive Werbenden als auch des wertschätzenden Kommunikationspartners gegenüber den Bewerbern ein. Diese Rollen müssen gelernt und mit dem eigenen Selbstverständnis in Einklang gebracht werden. Das führt zu einem weiteren Aspekt, dem gezielten Aufbau neuer Kompetenzen. Diese Kompetenzen könnten in diesem Szenario z.B. bedeuten, dass Recruiter lernen, bei Bewerberinterviews als Gastgeber zu agieren und dabei, ohne inquisitorisch zu wirken, trotzdem treffsichere Interviews führen. Außerdem sollten sich diese Recruiter für den gesamten Prozess der Candidate Experience verantwortlich fühlen.

Wald: Da kommt m. E. eine Menge Arbeit auf die Recruiter zu. Nun zu einer Frage, die mich verständlicherweise immer wieder umtreibt. Wie schätzen Sie die Wirkungen von Social Media auf die Führungsprozesse ein? Sind Social Media „nur" andere Kommunikationsinstrumente im Sinne eines neuen Telefons oder steckt mehr dahinter?

Athanas: Definitiv haben Social Media weitreichende Auswirkungen. Denken Sie dabei an soziale Arbeitgeberbewertungsportale. Dort wird bspw. die Führungsqualität und -kultur einer Firma von aktuellen Mitarbeitern und Ehemaligen beurteilt. Durch Social Media wird es möglich, sich sehr rasch über die Reputation des Arbeitgebers zu informieren oder sich auch an dieser Meinungsbildung zu beteiligen. Natürlich sollte so etwas die Führungskräfte interessieren. Das ist aber nur die Außenperspektive. Im Innenleben von Unternehmen bieten Social Media die Chance, noch vielfältiger zusammenzuarbeiten, oder Wissensträger einfach zu identifizieren und mit ihnen in Kontakt zu treten (Stichwort Collaboration). Führung ist aufgrund des Einsatzes von Social Media aufgefordert, transparenter und klarer zu werden. Führungskräfte sollten ihr Selbstverständnis in großen Teilen überdenken. Es gilt hier weniger Spielmacher sein, sondern mehr Talentscout, weniger Hausherr, mehr Gastgeber usw. Dabei kommt es mMn, zu einer Wechselwirkung zwischen Social Media und dem Wertewandel bei vielen, insbesondere jüngeren Berufstätigen. All das muss erfolgreiche Führung reflektieren und darauf spürbar reagieren.

Wald: Nochmals herzlichen Glückwunsch zum Werk! Hier ein Amazon-Link zum gemeinsam von Christoph Athanas und Nele Graf herausgegebenen Buch „Innovative Talentstrategien“.
Vielen Dank für die umfangreichen Informationen und die Möglichkeit dieses Gespräch mit Ihnen zu führen. Ich freue mich sehr auf die Fortsetzung des Interviews in der nächsten Woche mit einigen Fragen zum dritten HR BarCamp.
Bis dahin wünsche ich Ihnen und allen Lesern eine gute Zeit.




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